In Herborn muss man unterscheiden zwischen dem typischen Bildungsangebot, das eine kleine Stadt in Mitteleuropa für die eigenen Einwohner und das Umland bereitstellen kann und jenem Besonderen, das durch das Bestehen der Hohen Schule 1584 – 1817 und die Gestaltung und die Nutzung der Tradition, die darauf folgte, dazu kam und noch heute dazu kommt. Dieses Besondere spiegelt sich schon in der liebevoll-ironischen Bezeichnung Herborns als „Dill-Athen“, die in studentischen Aufzeichnungen des 18. Jahrhunderts vorkommt.
Die Hohe Schule hatte, auch noch in ihrer bescheideneren Spätzeit, ein Netzwerk wichtiger überörtlicher Beziehungen unterhalten und man empfand in Herborn ihre Schließung als herben Verlust. Aufmerksam wurden alle Aussichten registriert, die ein Anknüpfen an die Glanzzeit ermöglichten.
Das Theologische Seminar, als die mit neuen Aufgaben betraute, 1817 von der Schließung verschonte, theologische Fakultät der Hohen Schule, erfreut sich daher in der Stadt bis heute über die Konfessions- und politischen Grenzen hinweg, großer Wertschätzung. Dies zeigte sich besonders, als die Stadt 1997 dazu beitrug, die Schließung dieser Einrichtung zu verhindern, die inzwischen eine eigene, ansehnliche Tradition vorweisen kann.
Das Seminar hat sich nie auf die Ausbildung von evangelischen Geistlichen und Religionspädagogen beschränkt, sondern wirkte auch immer aktiv im kulturellen Leben mit und half so, einen Hauch von „Dill-Athen“ zu erhalten.
Das heutige, klassische Schulwesen der Stadt spiegelt die Erinnerung an die Hohe Schule in der Namensgebung: Das Gymnasium, das zu den größten in Hessen zählt (gemäß Schülerzahlen) ist nach dem Gründer der Hohen Schule „Johanneum“ genannt, zwei weitere Schulen nach zwei ihrer berühmtesten Studenten, die wegweisende Pädagogen wurden: „Comeniusschule“ und „Diesterwegschule“.
Völlig unvermutet, nicht ohne die biographischen Bezüge des Initiators zu verstehen, jedoch genau betrachtet keineswegs falsch, ist das Anknüpfen der modernen Naturwissenschaft an die Tradition der Hohen Schule. Motiviert von deren 400 jährigem Gründungsjubiläum 1984 entstand eine Serie internationaler Tagungen zum Thema Mikrobiologie und –ökologie.
Diese Tagungen finden nicht nur unter der Bezeichnung „Old Herborn University Seminar“ statt, sondern beziehen auch das historische Kollegiengebäude der „Johannea“ mit ein.