In der neuen Sonderausstellung im Museum Hohe Schule geben zwei besondere Blickpunkte Rätsel auf. Was hat der vornehme Mann in spanischer Hoftracht mit der Kette des erzkatholischen Ordens Vom Goldenen Vlies im Gebäude der ehemals reformierten Hohen Schule Herborn verloren? Und was sucht das leere Transportfass mit der kleinen Kanone daneben? Unsere Installation erinnert an zwei außergewöhnliche Ereignisse aus der Geschichte der Hohen Schule. Deren Bestehen hing während des Dreißigjährigen Krieges ungefähr zehn Jahre lang am Seidenen Faden. Tiefpunkt der Entwicklung waren die Jahre 1634/1635, als Herborn dreimal von kaiserlichen Truppen ausgeplündert wurde. Zwei Wochen nach der ersten Plünderung Herborns ließ Graf Ludwig Henrich v. Nassau die Bibliothek der Hohen Schule im Dezember 1634 nach Dillenburg auf das Schloss in Sicherheit bringen. Das lag weniger daran, dass sie aus Herborn vermutlich nur deshalb nicht schon entführt worden war, weil es den kaiserlichen Kommandeuren mehr auf das Geld ankam. Der Graf plante vielmehr, von Dillenburg aus die kaiserlichen und spanischen Besatzungstruppen in der Umgebung heftig anzugreifen und nahm dabei harte Gegenschläge in Kauf. Deshalb brachte man die Kulturgüter vorher in Sicherheit. Damals wurden in Herborn vermutlich zehn große Fässer mit Büchern gefüllt und auf die einzige Festung der Grafschaft gebracht. Nur von einem, dem Fass C, ist der Packzettel erhalten. Er wurde bei der Tour ordentlich dreckig und dokumentiert heute noch durch seinen Zustand die damaligen Zeitumstände. Nach dem Paukenschlag vom Januar 1635, als Ludwig Henrich Schloss Braunfels im Handstreich eroberte und damit das katholische Militär an der Lahn vorübergehend ins Chaos stürzte, folgte im April die Rache, als der kaiserliche General Graf Mansfeld Nassau-Dillenburg mit einer weit überlegenen Armee regelrecht überschwemmte. Wie eine Insel hielt sich Schloss Dillenburg, nicht zuletzt wegen der Kanonen, die Ludwig Henrichs Großvater, Graf Johann der Ältere, 1576 hatte gießen lassen. Mansfeld verzichtete auf eine Belagerung, so blieb auch die Bibliothek der Hohen Schule ungeschoren. Dass dies auch bei einer schweren Beschießung des Schlosses so gewesen wäre, darf man bezweifeln.
Der Graf schloss Frieden mit Wien und wurde zu einem Feldherrn, der bei dem jungen Kaiser Ferdinand III. hohes Ansehen genoss. Es war fast selbstverständlich, dass er schon im Juni 1648 den Kaiser bat, die inzwischen wieder besser ausgestatte reformierte Hohe Schule Herborn zur Universität zu erheben. Das Reichsoberhaupt stellte bei einer Audienz für Graf Johann Moritz v. Nassau-Siegen diesen Gnadenakt in Aussicht. Seitdem feierten viele schon die Hohe Schule als Universität, leider vergeblich. Der Reichshofrat in Wien betrachtete zwar Herborn als ebenbürtig mit den anderen Universitäten, musste jedoch zweimal erleben, dass der Geheime Rat die Sache verzögerte. Als der Kaiser dann endlich im September 1652 die lange ersehnte Entscheidung fällte, stellte sich heraus, dass man sich in Nassau schlecht darauf vorbereitet hatte. Eine solche Gnade kostete nämlich Geld und das hatte man nicht. Zu allem Überfluss wurden die nassau-katzenelnbogischen Häuser auch noch in den Reichsfürstenstand erhoben, was sie sich ebenfalls nicht leisten konnten. Die Privilegierung der Hohen Schule schlug fehl, weil die Ausstellung des Diploms aus Kostengründen verzögert und schließlich vergessen wurde. Es blieben jedoch Zeugen jener hochgemuten Jahre, als man hoffen durfte, nach dem Kriegselend zu neuem Glanz aufzusteigen. Hervorragend darunter ist das Porträt Kaiser Ferdinands III. Es wurde zum Zweck der Ausstellung ein wenig dekoriert, wobei ein vergoldeter Engel auffällt. Er wurde dem Schmuck eines Buches nachempfunden, das 1650 zu Ehren des Kaiser in Herborn gedruckt und, mit vielen anderen Büchern, von der Frankfurter Messe aus, selbstverständlich im Fass, nach Wien geschickt wurde, wo es noch heute zu finden ist.
Rüdiger Störkel