Manches Ausstellungsstück im Herborner Stadtmuseum erblickt eher selten das Tageslicht. Viele Gegenstände aus der Vergangenheit passen thematisch einfach nicht in die Dauerausstellungen. Aber vielfach wäre es einfach zu schade, solche Zeugnisse früherer Zeiten in den Archivräumen schlummern zu lassen. Deshalb stellt das Stadtmuseum Herborn künftig alle vier Wochen ein "Objekt des Monats" vor, das so interessant ist, dass es nicht unbeachtet verstauben sollte.
Es wirkt aus heutiger Sicht etwas befremdlich, aus menschlichen Haaren kleine Kunstwerke zu formen. Im 19. Jahrhundert aber waren die sogenannten "Haarbilder", die in den kommenden Wochen das "Objekt des Monats" darstellen, ein weit verbreitetes Andenken, wie Museumsleiterin Ulrike Litzba weiß. Ursprünglich aus England stammend, habe sich der Brauch, zu bestimmten Anlässen wie Konfirmation und Hochzeit aus den Haaren Erinnerungsstücke zu formen, über ganz Europa verbreitet. Gewöhnlich sind es florale Motive, die hinter Glas gerahmt an liebe Angehörige und ein wichtiges Ereignis erinnern. Man nimmt an, dass diese Tradition mit dem Aufkommen der Fotografie aus der Mode kam, zumal die Aufnahmen im Laufe der Zeit auch für die breite Bevölkerung erschwinglich wurden.
Unsere "Objekte des Monats" sind (von links betrachtet) aus Haaren der zweieinhalbjährigen Friederike Karoline Schneider, die am 21. April 1852 geboren wurde, und Friedrich Stuhls gefertigt. Von wem die Haare des dritten Bildes (rechts) stammen, ist unbekannt - es trägt keine Beschriftung. Friedrich Stuhl, so hat Ulrike Litzba herausgefunden, stammt aus einer alten Herborner Familie, die wahrscheinlich als Färber oder Gerber ihren Lebensunterhalt verdiente. "Friedrich Stuhl ist aber nicht genauer zuzuordnen", bedauert die Museumsleiterin.
Meist haben wohl Barbiere oder Perückenmacher die kleinen Kunstwerke angefertigt. "Jede Blume hat eine besondere Bedeutung", hat Ulrike Litzba herausgefunden. Womöglich hat die weite Verbreitung der Haarbilder - es gab zu jener Zeit aber auch Ketten und sonstigen Schmuck aus menschlichen Haaren - damit zu tun, dass Perücken als Attribute des Adels nach der Französischen Revolution nicht mehr "angesagt" waren, vermutet sie. Länger als die Mode der Haarbilder hat sich der Brauch gehalten, als Verlobte dem Liebsten eine Locke zu schenken oder eine Locke vom Ersthaar des Kindes aufzuheben.
Das "Objekt des Monats" ist im Museum in der Hohen Schule ab sofort zu den Öffnungszeiten (dienstags, mittwochs, samstags und sonntags jeweils von 13 bis 17 Uhr) sowie nach vorheriger Absprache (zum Beispiel für Gruppen, Schulklassen o. ä. auch vormittags) zu sehen. Weitere Informationen bei Ulrike Litzba, Tel.: (02772) 57 38 10.
Klaus Kordesch