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Das Herborner Holocaust-Denkmal wird eingeweiht

Das Herborner Holocaust-Denkmal wird eingeweiht

Herborn, 6.11.2013: Am Freitag, den 8. November 2013, wird am Eisernen Steg in der Herborner Walther- Rathenau-Straße das Holocaust-Denkmal ab 11 Uhr im Rahmen einer öffentlichen Gedenkstunde eingeweiht. Hierzu laden Stadtverordnetenvorsteher J. Michael Müller und Bürgermeister Hans Benner herzlich ein.


Es muss im Mittelalter eine jüdische Gemeinde in Herborn gegeben haben. Im Zinsregister eines Adligen kommt nämlich für die Zeit um 1376 eine Synagoge („Judenschule“) vor, die offenbar in der Mühlgasse lag. Sonst schweigen die Quellen, die wir kennen. Die reformierten Theologen der 1584 gegründeten Hohen Schule befassten sich grundsätzlich mit dem Verhältnis von Juden und Christen und befürworteten Toleranz gegenüber den Juden. Dies bewährte sich noch um 1820, als die Professoren des Theologischen Seminars Salomo Herxheimer förderten. Er wurde Landesrabbiner in Anhalt. Diese tolerante Haltung verlor seit Ende des 19. Jahrhunderts jedoch an Boden. Aussagekräftige Nachrichten über eine jüdische Gemeinde in Herborn gibt es erst ab 1660. Damals entstanden der Betsaal und die mikwe (erhalten) in der südlichen Hälfte des Wohnhauses Kornmarkt 22. Der Saal am Kornmarkt wurde bis 1869 genutzt. Ein jüdischer Friedhof Herborns wird 1747 erwähnt. Erhalten blieb der neue ab etwa 1870 belegte.


Die bescheidene neue Synagoge südlich der Altstadt, die die ursprüngliche ersetzte, fiel dem Novemberpogrom 1938 zum Opfer. An der Einweihung dieser Synagoge am 5. Februar 1869 nahmen viele nichtjüdische Bürger teil. Der Männergesangverein umrahmte sie mit Liedvorträgen. Die neue liberale Gesinnung in Herborn ermöglichte und erleichterte den jüdischen Bürgern die Teilnahme am öffentlichen Leben. Hier trafen sich die Anerkennung der Juden als gleichberechtigte Bürger mit ihrer Bereitschaft, sich an dem aufblühenden Vereinsleben der Stadt zu beteiligen. Die liberale Kultur Herborns erwies sich als zu schwach, um dem Hitlerregime zu widerstehen. Auch in Herborn wurden die Juden und die wenigen übrigen Bürger, die ihre Freunde blieben, zu Außenseitern. Die Verfolgung der Juden begann in Herborn wie überall im Reich am 1. April 1933 mit einer von der NSDAP organisierten Boykottaktion gegen die jüdischen Geschäfte. Die Erwerbstätigkeit der jüdischen Bürger wurde immer mehr eingeschränkt. Viele wanderten aus. Erster Höhepunkt der Verfolgung war in Herborn wie im übrigen Deutschland das Novemberpogrom von 1938. Danach verließen weitere jüdische Familien, wenn sie noch konnten, die Heimat. Einige Eltern retteten ihre Kinder durch den „Kindertransport“ von Herborn nach England. 1940 wurden 39 jüdische Patienten der Landes- Heil- und Pflegeanstalt in Herborn in Tötungsanstalten gebracht und ermordet. Die letzten 24 Herborner Juden teilten während des Zweiten Weltkrieges nicht nur die Nöte ihrer Nachbarn, sondern wurden grausam diskriminiert. Sie hatten den „Judenstern“ zu tragen und durften nur zu bestimmten Zeiten einkaufen. Sie wurden 1942 und 1943 in Konzentrationslager deportiert, wo sie alle ums Leben kamen. Die Namen der 63 Opfer sind auf dem Herborner Holocaust-Denkmal verewigt. Seine Gestaltung geht auf die Idee von Herrn Gerald Stern in Newcastle zurück und greift die Tatsache auf, dass es für die Herborner Holocaust-Opfer nirgendwo Gräber und Grabsteine gibt.


Text: Rüdiger Störkel, Stadtarchivar

Bild: Grabstein der Betti Sternberg (1841-1901) auf dem Jüdischen Friedhof Herborn