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Der Dichter Gottfried Kinkel, der Badische Aufstand von 1849, die Stadtkanonen und die Herborner – Ein Beitrag zum diesjährigen Tag für die Literatur in Hessen, am 10.Mai

Der Dichter Gottfried Kinkel, der Badische Aufstand von 1849, die Stadtkanonen und die Herborner – Ein Beitrag zum diesjährigen Tag für die Literatur in Hessen, am 10.Mai

Herborn, 07.05.2009: Gottfried Kinkel war um 1850 einer der berühmtesten deutschen Dichter und Politiker. Er hatte seinen Lehrstuhl an der Universität Bonn verlassen und sich der demokratischen Bewegung von 1848 als vielbeachteter Redner angeschlossen.


Als die deutschen Bundesfürsten sich im Frühjahr 1849 weigerten, die von der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossene Verfassung einzuführen, kam es zu einem Proteststurm, der im Großherzogtum Baden in einen Volksaufstand mündete. Entscheidend für dessen Niederwerfung war das Eingreifen einer preußischen Armee unter Führung des „Kartätschenprinzen“, des späteren preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelm I. Die Kämpfe endeten mit der Kapitulation der Festung Rastatt. Zu den dabei gefangenen Aufständischen gehörte auch Gottfried Kinkel, den man zunächst zum Tode verurteilte. Prinz Wilhelm begnadigte ihn zu lebenslänglicher Haft in der Festung Spandau bei Berlin. Aus diesem Gefängnis wurde Kinkel von seinem Freund Carl Schurz, dem späteren Innenminister der USA (!), befreit. Die viel bejubelte Flucht führte

ihn über Rostock nach England.


Später erhielt Kinkel eine Professur in der Schweiz. Die Herborner waren mächtig stolz auf Gottfried Kinkel, schließlich entstammte er einer uralten Herborner Schuhmacherdynastie. Sein Vater hatte an der Hohen Schule studiert. Gottfried hatte sich sogar 1840 von Bonn aus um eine Professur am Theologischen Seminar in Herborn beworben und betont, er betrachte die Stadt als seine zweite Heimat. Im Frühjahr 1849 setzten sich auch viele Herborner für die Einführung der Deutschen Verfassung ein. Zur Zeit des Badischen Aufstandes entstand sogar eine kleine Freischar, die die aufständischen Demokraten unterstützen wollte. Was dann geschah wurde später sehr unterschiedlich dargestellt.


Die sozialdemokratische Opposition bemühte sich 1875, die Taten der Herborner „48er“ lächerlich zu machen und schrieb gegen die mächtigen Herborner Liberalen von den „Maulhelden von 1848, welche 1849 auf der Neuhoffnungshütte Kanonen fertigen ließen zur (...) Aufhaltung der nach Baden marschierenden preußischen Truppen“ man habe diese jedoch dann „mit Vivats, Würstchen und Bierfässchen“ empfangen. Tatsache ist freilich, dass die legendären Herborner Stadtkanonen aus ganzen drei eisernen Böllern bestanden. Damit konnte man Salut schießen, aber nicht kämpfen.


Zwei Zeitgenossen schildern die preußische Einquartierung von 1849 so: Ein Mitglied der Freischar berichtet, man habe die Chaussee nach Wetzlar verbarrikadieren wollen, die Preußen seien jedoch früher als erwartet angekommen. Ein weiterer Zeitzeuge erinnert sich, die preußische Einquartierung habe aus älteren Landwehrleuten aus der Gegend von Bonn bestanden. Diese hätten den kleinen Herborner Jungs gutmütig ihre Schiessprügel anvertraut und abends vor dem Geburtshaus von Gottfried Kinkels Vater zu Ehren des Dichters ein Ständchen gegeben. Dass es danach zu Verbrüderungsszenen bei Bier und Würstchen kommen musste, versteht sich angesichts der Herborner Kinkelverehrung von selbst. Es bleibt sehr bemerkenswert, dass damals die gemeinsame Verehrung für einen Dichter die Menschen zusammenführte und das trotz einer politisch vergifteten Bürgerkriegsatmosphäre.


Das Geburtshaus von Gottfried Kinkels Vater wird am 10.Mai im Rahmen der Führung „Stätten der Literatur in Herborn“ vorgestellt. Der Rundgang beginnt um 13.30 Uhr im Hof der Hohen Schule.


Bildtext: Eiserner Böller aus Weilburg, Privatbesitz. Von diesem Typ, wahrscheinlich auf einer heimischen Eisenhütte aus Holzkohlenroheisen gegossen, waren sicher auch die angeblichen Herborner Kanonen von der Neuhoffnungshütte.


Rüdiger Störkel