Herborn, 02.12.2010: In Herborn begegnet man ihm auf Schritt und Tritt. Dem Schloss gegenüber steht in einem kleinen Park noch seine Villa mit den dazu passenden Nebengebäuden. Er hat in Sinn überhaupt erst eine Ortsmitte geschaffen, mit Kirche, Schulgebäude, hoher Mauer und Denkmal aus einem Guss. Das bekannte monumentale Empfangsgebäude des Giessener Bahnhofs ist sein Werk. Planung und Bauleitung für die Dankeskirche in Bad Nauheim lagen in seinen Händen. Sie wurde im Zuge des Aufstieges des Heilbades nicht nur großzügig gestaltet sondern erhielt auch bereits zukunftsweisend mit Rücksicht auf die Kurgäste einen barrierefreien Zugang. Als sein Markenzeichen kann die sorgfältige, umfassende Planung vom großen Gesamtentwurf bis ins Detail gelten. Von Türbeschlägen über Orgelprospekte bis zu ganzen Stadtquartieren, wie z.B. der Neuanlage des Ostens der Herborner Altstadt nach dem Brand von 1904. Er kaufte nicht von der Stange, sondern achtete auf durchgängig angemessene Gestaltung. Ludwig Hofmann war ein Meister des Bauens, nicht irgend ein Baumeister. In dem schmalen Bürgerhaus Mühlgasse 11 wurde er 1862 als Sohn eines Damastwebers geboren, 1933 verstarb er, nachdem er noch sein Alterswerk, die bauliche Rettung und Zukunftsertüchtigung von Schloss Herborn mit großem Beifall zu Ende gebracht hatte. In rund 1.000 Gemeinden im Umkreis von 150 km um Herborn war er tätig, 60 Neubauten von Kirchen betreute er und ungefähr genauso viele durchweg gut gelungene Renovierungen. Dazu kamen zwei Synagogen, mehrere Schulen und Kindergärten, Bahnhofsgebäude und rund 150 Wohnhäuser.
Die Überlieferung über und von Ludwig Hofmann an Skizzen, Entwürfen, fertigen Plänen, Akten, Berichten und gedruckten Veröffentlichungen ist immens. Die vor Jahrzehnten erfolgte Auflösung seines Herborner Architekturbüros erleichtert ihr Aufspüren nicht. Dieser mühevollen, aber auch an Überraschungen reichen, langwierigen Tätigkeit unterzog sich im Ruhestand ein Urenkel des Meisters, der ebenfalls aus Herborn gebürtige Friedhelm Gerecke, der, selbst vom Fach, fundierte Sachkenntnisse und gut geknüpfte Familiennetzwerke nutzend eine in dieser Vollständigkeit seltene Dokumentation, die Leben und Werk, Öffentliches und Privates verbindet, geschaffen hat. Glücklicherweise konnte, ganz wesentlich auf Initiative und in Eigenleistung von Gerecke, diese hervorragende Sammlung in Buchform herausgebracht werden. Es wurde dafür die Literaturform des Katalogs gewählt. Im Vordergrund stehen daher originale Bilder, Pläne und Texte, die in einer feinen Gliederung geordnet und mit verbindenden Texten und Erläuterungen versehen wurden. Rund 390 Seiten sind dabei dem eigentlichen Verzeichnis der Bauwerke gewidmet, deren Entstehung oder Renovierung Hofmann begleitet hat. Hier macht man unentwegt Entdeckungen und staunt über die Schaffenskraft und den Einfallsreichtum des begnadeten Baumeisters, des wichtigsten den Herborn erlebt hat. Auf diese Einschätzung wird sich jedoch niemand beschränken, der aus Friedhelm Gereckes Werkverzeichnis das gesamte Schaffen des Herborner Webersohnes kennen gelernt hat. Die Prägung zahlreicher Ortskerne der weiteren Region und damit auch ihr Landschaftscharakter erscheint jetzt deutlicher und umfänglicher, als vorher bekannt, von Hofmann mitgestaltet, dem es immer gelang, durch Material- und Formenauswahl den richtigen Ton zu treffen und dabei der Umgebung nichts aufzuzwingen.
Historismus-Jugendstil-Heimatstil in Hessen, im Rheinland und im Westerwald. Das Lebenswerk des Architekten und Denkmalpflegers Ludwig Hofmann (1862-1933) aus Herborn. Ein Katalog, bearbeitet von Friedhelm Gerecke.
Format: 22x30 cm, 528 Seiten, 1009 Abbildungen, davon 27 in Farbe, fest gebunden.
ISBN 978-3-86568-458-5, Euro 69,00.
Michael Imhof Verlag, 36100 Petersberg
Rüdiger Störkel