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Herborn trauert um Rainer Nöllge

Herborn trauert um Rainer Nöllge

Rainer Nöllge lebt nicht mehr. Dass der Erste Stadtrat unsere Welt am Sonntag (26. Februar) nach langen kräftezehrenden Monaten der Krankheit im Alter von nur 65 Jahren verlassen musste, hat auch im Herborner Rathaus tiefe Bestürzung und Trauer ausgelöst. Bürgermeister Hans Benner würdigte seinen Stellvertreter und Freund, mit dem zusammen er jahrzehntelang Politik gemacht hat, als Schönbacher, Herborner und Europäer zugleich, der sich immer uneigennützig voller Elan für das Gemeinwohl eingesetzt habe.

Wer sich an Rainer Nöllge erinnert, hat viel zu tun: Schier unüberschaubar ist das Spektrum dessen, was der rührige Schönbacher in der Kommunalpolitik, in der Vereinswelt und darüber hinaus auf den Weg gebracht und selbst aktiv angegangen und zu Ende gebracht hat. „Er hat die Entwicklung der Stadt Herborn maßgeblich beeinflusst und bewiesen, dass ihm die Interessen der Stadt mehr bedeuteten als seine eigenen Belange“, sagt Bürgermeister Hans Benner, der seit 37 Jahren mit dem gebürtigen Hörbacher zusammen kommunalpolitisch arbeitete – mindestens mehrmals im Monat, oft aber auch täglich sei der seit September 2001 als stellvertretender Bürgermeister fungierende ehemalige Polizeibeamte dafür im Rathaus gewesen.

„Wir waren auf einer Wellenlänge“, sagt Bürgermeister Benner. Die beiden Sozialdemokraten – die auch am gleichen Tag Geburtstag feiern konnten – lernten sich kennen, als im Vorfeld der Gebietsreform 1977 der Herborner SPD-Stadtverband gegründet wurde. Seit 1975 bereits war Rainer Nöllge als Gemeindevertreter in Schönbach tätig. 1977 bis 1985 und abermals von 1989 bis 1997 bestimmte er als Stadtverordneter im Parlament die Geschicke der Bärenstadt mit, zwischen 1985 und 1989 und von 1997 bis 2001 gehörte er dem Magistrat an. Mit dem Amtsantritt Bürgermeister Benners am 13. September 2001 wurde er Erster Stadtrat und damit Stellvertreter des Stadtoberhaupts. In dieser Eigenschaft arbeitete er ehrenamtlich auch in der Partnerschaftskommission, der Betriebskommission Bäder, der Brandschutzkommission sowie der Sport- und Kulturkommission mit – in den beiden letzteren in der Eigenschaft des stellvertretenden Vorsitzenden.

Es entsprach dem Wesen und der Überzeugung des als Lokalpatriot im besten Sinne handelnden Schönbachers, dass er sich für alle Stadtteile und die Kernstadt gleichermaßen einsetzte. Nöllge konnte sich an einer Sache festbeißen und sie hartnäckig gegen alle Widerstände verfolgen, wenn er von ihrer Richtigkeit überzeugt war. Ebenso zeigte er sich Sachargumenten auch der politischen Gegner zugänglich. Mit ihnen lieferte er sich zwar mitunter erbitterte Auseinandersetzungen, packte aber gemeinsam mit ihnen so manch anderes heiße Eisen gemeinsam an. Zuletzt sorgte er beispielsweise dafür, dass die Schönbacher ihr waches Auge auf die Pestalozzi-Schule warfen, und stieß die Diskussion um das „Kinderhaus“ an, das Grundschule und Kindergarten unter einem Dach vereint hätte.

Großes und bleibendes Verdienst Rainer Nöllges ist der Aufbau der Partnerschaft zum niederösterreichischen Schönbach und die intensive Mitarbeit an den anderen Herborner Partnerschaften. Johann Wagner, Motor der Partnerschaft auf österreichischer Seite, hatte die längst eng befreundete Familie Nöllge noch in der vergangenen Woche besucht.

Unvergessen bleibt der „Stadtrat vom Land“ - so seine langjährige Büttenredner-Rolle im Karneval – als leidenschaftlicher Plattschwätzer: Er organisierte selbst entsprechende Veranstaltungen und wirkte an vielen mit, war Mitglied des Vereins zur Erhaltung der mittelhessischen Mundart und Kultur (VEMuK) und veröffentlichte zusammen mit seiner Ehefrau Gisela das Koch- und Wörterbuch „Häi bei uhs dehaam rimm“. Er engagierte sich im Fotoclub und im Schützenverein, für den er auch sportliche Erfolge einfuhr, ebenso wie im Schönbacher „Backes“, wenn Brote für den guten Zweck gebacken wurden, und packte auch mit an, wenn die Schönbacher Rentner-Riege tätig wurde, so zum Beispiel bei der Treppe zum Heller hinauf.

Die viele Zeit, die Rainer Nöllge für die Allgemeinheit opferte, trug Früchte in Gestalt einer überaus großen Beliebtheit bei den Bürgern: Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr vergangenen Jahres erreichte Rainer Nöllge mit 4435 Stimmen das mit Abstand beste Einzelergebnis aller Bewerber um einen Sitz im Parlament. Zu dieser Zeit hatte er bereits damit beginnen müssen, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Viele gemeinsame Stunden sind ihm und seiner Frau Gisela, die sich getreu dem Motto „Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau“ stets bescheiden im Hintergrund hielt, trotzdem leider nicht mehr vergönnt gewesen. Außer ihr hinterlässt Rainer Nöllge zwei erwachsene Kinder und vier Enkel. Der verstorbene Erste Stadtrat wird am heutigen Donnerstag (1. März) um 14 Uhr auf dem Schönbacher Friedhof zu Grabe getragen. (klk)