Im GutshofHotel in Herborn, der hessischen Hauptstadt der Haselhühner, wie es der Artenschutzexperte des hessischen Umweltministeriums, Dr. Matthias Kuprian , in seinem Grußwort formulierte, fand Ende Februar des Internationalen Jahres der biologischen Vielfalt 2010 unter der Regie der Staatlichen Vogelschutzwarte Frankfurt, der Naturschutzakademie Hessen und des Vogelpark Herborn ein Expertenworkshop zur Erstellung eines Artenhilfskonzepts für dieses scheue und in Deutschland selten gewordene Waldhuhn statt. Initiator und Gastgeber dieser Fachtagung, die unter der Schirmherrschaft von Herborns Bürgermeister Hans Benner stattfand, war der Herborner Unternehmer Bernd Michael Müller. Nach dem Verschwinden von Auerhuhn und Birkhuhn aus unseren Wäldern ist das Haselhuhn die einzige noch verbliebene Rauhfußhuhnart, wie diese seltenen Wildhühner wegen ihrer befiederten Füße heißen, in Hessen. Auch das Haselhuhn ist in vielen Regionen Mitteleuropas stark im Rückgang begriffen oder sogar bereits ausgestorben und gilt als sensibler Anzeiger für eine naturverträgliche, extensive Form der Waldnutzung. Im Interesse des Schutzes des Haselhuhns, für das es bei uns wenige Sekunden vor 12 Uhr ist, sind die Veranstalter froh, dass sie unter den mehr als 40 Teilnehmern aus Naturschutz, Jagd, Forsten, Verwaltung und Politik aus fünf Bundesländern auch einige hochkarätige Rauhfußhuhnexperten begrüßen konnten. Darunter waren mit Professor Hans-Heiner Bergmann aus Osnabrück, Dr. Siegfried Klaus aus Jena und Dr. Franz Müller aus Fulda drei der Autoren der Monographie Die Haselhühner, die in der Neuen Brehm-Bücherei erschienen ist. Diese Experten befassen sich die sich schon seit Jahrzehnten mit der Biologie und dem Schutz des Haselhuhns. Aufgrund der Übernutzung unserer Wälder in der Nachkriegszeit haben die Haselhühner mehr als 90 % ihrer ehemaligen Verbreitung eingebüßt. 1966 wurde ihr Bestand auf hessenweit nur noch etwa 65 Exemplare geschätzt, von denen zwei Drittel im damaligen Dillkreis vorkamen. Begünstigt wurde ihr Vorkommen hier durch die genossenschaftlich organisierte Haubergswirtschaft, die als Niederwaldwirtschaft der Energiegewinnung für die regionale Eisenverhüttung hier im ehemaligen Dillkreis und dem angrenzenden Siegerland diente. In dieser extensiven und somit besonders nachhaltigen Form der Waldnutzung werden Laubhölzer im Rhythmus von etwa 20 Jahren eingeschlagen. Deren Stockausschläge treiben wieder aus, und die Haselhühner finden in diesen Flächen die für ihr Überleben nötigen Krautschichten mit Beeren- und Knospennahrung sowie Deckung, bis erneut ein geschlossener Wald besteht, der wieder auf den Stock gesetzt wird. Die Geschichte und der Wert dieses Lebensraums aus Menschenhand wurde im Gutshof vom Mandelner Haubergsgenossenschaftsvorsteher Horst Nassauer und von Bernd Michael Müller vorgestellt. Der natürliche Lebensraum des Haselhuhns sind alte, mehrschichtig gestufte und baumartenreiche Wälder, aber eben auch Jungwälder, wie sie bei uns in den Haubergen künstlich erzeugt werden. Heute sind die Hauberge im Norden des Lahn-Dill-Kreises die letzten Refugien des Haselhuhns in Hessen. Doch auch hier ist es um diesen heimlichen, extrem sesshaften Waldbewohner weitgehend still geworden. In den letzten Jahrzehnten gab es hier immer weniger Nachweise. Deswegen steht das Haselhuhn mittlerweile im Dill-Bergland oftmals im Ruf, eher ein Phantom zu sein. Doch noch dürften hier etwa 5 bis 15 Haselhuhnpaare leben, weiterhin im benachbarten NRW etwa 20 bis 25 Paare und in Rheinland-Pfalz insgesamt weniger als 120 Brutpaare, größtenteils im Pfälzer Wald und der Eifel. Über die Möglichkeiten des Schutzes dieser hochbedrohten Art bzw. ihrer besonders bedrohten westlichen Unterart wurde in Herborn unter der Moderation von Professor Hans-Peter Ziemek vom Institut für Biologiedidaktik der Universität Gießen intensiv diskutiert. Dabei stellte mit Ursula Wilmering aus Vechta eine versierte Praktikerin die Möglichkeiten der Nachzucht des auch in der Pflege recht heiklen Haselhuhns vor. Ursula Wilmering stellt seit vielen Jahren Nachzuchttiere aus ihren Volieren für Auswilderungsprojekte, früher u. a. im Harz und aktuell noch im Frankenwald im Grenzbereich zu Thüringen zur Verfügung. Allerdings handelt es sich bei aktiven und naturgemäß kontinuierlich zu betreuenden Wiedereinbürgerungsprojekten des Haselhuhns um eine sehr aufwendige Methodik. Hinzu kommt, dass nach den Erfahrungen der Experten die Auswilderung von Haselhühnern aus Nachzuchten sehr viel weniger erfolgversprechend verläuft als die von Wildfängen. Und letzteres ist mit der großen Schwierigkeit verbunden, Wildfänge für ein kontinuierlich zu betreuendes Auswilderungsprojekt in ausreichender Stückzahl zu bekommen. Deswegen erfolgt aktuell im Frankenwald eine Kombination der Auswilderung von möglichst naturnah aufgezogenen Nachzuchttieren mit einigen wenigen Wildfängen. Vor diesem Hintergrund bestand unter den Teilnehmern des Herborner Haselhuhn-Symposiums schnell Einigkeit darin, dass ohnehin, auch gemäß den Richtlinien für Wiedereinbürgerungen der Internationalen Naturschutzunion IUCN, lebensraum-verbessernde Maßnahmen Vorrang vor einer natürlich nicht grundsätzlich auszuschließenden aktiven Wiedereinbürgerung haben sollten. Welche Schritte für die Rettung der für unsere Region einstmals so typischen Haselhühner konkret umgesetzt werden sollten, darüber soll schon in Kürze ein regionaler Arbeitskreis beraten. Dieser soll sich möglichst bereits im April unter der Regie des Biologen Gerd Bauschmann von der Staatlichen Vogelschutzwarte Frankfurt zur Entwicklung und Umsetzung eines Artenhilfskonzepts für die FFH Leitart Haselhuhn bei einem Treffen im Vogelpark Herborn konstituieren. Besonders erfreulich ist, dass auch die in Herborn anwesenden Haselhuhnexperten der anderen Bundesländer ihre zumindest anfängliche fachliche Unterstützung für diesen Arbeitskreis zugesagt haben.
Übrigens möchte der Herborner Vogelpark im Zuge der geplanten Parkerweiterung künftig seinen Besuchern Haselhühner als Charaktervögel für unsere naturnahe Region in einer großzügigen Biotopvoliere präsentieren, und dadurch auf die Bedeutung extensiver Waldnutzungsformen für den Erhalt der Artenvielfalt aufmerksam zu machen.
Presserechtlich verantwortlich:
Dipl.Biol. Gerd Bauschmann, Staatliche Vogelschutzwarte Frankfurt, Tel. 069/42010512
Dipl.Biol. Wolfgang Rades, Vogelpark Herborn GmbH, Tel. 02772/42522 (mobil 0151/11621148)