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Leipzig und die Folgen – Herborn und die Befreiungskriege

Leipzig und die Folgen – Herborn und die Befreiungskriege

Herborn, 20.2.2014: In diesem Jahr wird an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 erinnert, im vergangenen Jahr gedachte man der Völkerschlacht bei Leipzig von 1813. Dabei trat auch das monumentale Völkerschlachtdenkmal wieder hervor, dessen Vollendung ausgerechnet erst im letzten Friedensjahr 1913 gelungen war. Die Zusammenhänge zwischen Völkerschlacht und Weltkrieg sind kaum im Bewusstsein. Nach zwei Weltkriegen redeten die Deutschen verächtlich von Leipzig einund Leipzig, wenn es um jene einst verherrlichten Kriege ging, die nach offizieller Lesart bis 1918 die folgerichtige Einigung Deutschlands unter preußischer Führung gebracht hatten. All das hatte sich nicht als tragfähig erwiesen, der Wurm steckte von Anfang an im Gebäude des Zweiten Reiches.


Was hatte das entfernt gelegene kleine Herborn mit der Völkerschlacht bei Leipzig zu tun, was mit den Folgen? Obwohl nur mittelbar betroffen, wusste man, wie es in Leipzig aussah, denn Herborner Tuchmacher besuchten dort häufig die Messen. Man war an der Dill an Politik interessiert und kaufte sich Kupferstich-Porträts prominenter Politiker und Militärs. Bei allem Interesse musste man sich sehr gedulden, wenn es um verlässliche Nachrichten vom Kriege ging. Die heimische Presse, völlig unter Zensur, war dazu nicht zu brauchen und berichtete noch vier Tage nach seiner Niederlage: auf allen Punkten hat der Kaiser über den Feind die Oberhand. Dies kommt uns aus späteren Zeiten bekannt vor!


Die Menschen in Herborn erkannten die Bedeutung der mit hohen Opfern erkauften Wende. Der alte Landesherr kehrte zurück. Sie erlebten, dass Männer, die eben noch vollmundig das Lob des Kaisers der Franzosen gesungen hatten, nun den Oranier priesen und sämtliche seit 1806 eingeführten Neuerungen, auch zukunftsweisende, wieder abgeschafft wurden. Wir wissen heute, dass auf den Umbruch von 1806, der das Alte Reich auflöste, nicht nur der von 1813/1815 mit dem Wiener Kongress folgte, sondern auch der von 1848/1849, als die Gründung eines deutschen Verfassungsstaates scheiterte und der von 1866, als im Deutschen Krieg die deutsche Einheit mit Blut und Eisen vorbereitet und 1871 mit Gründung des Zweiten Kaiserreiches als kleindeutsche Lösung nach Bismarcks Konzept vollendet wurde. Eine atemlose Zeit, in der die Herborner insgesamt fünfmal die Staatsbürgerschaft wechselten. Sie erlitten Geschichte jedoch nicht bloß, sondern gestalteten sie mit. Ein Teil der Debatten darüber, wie die erstrebte Deutsche Einheit eigentlich aussehen sollte und wie sie zu erreichen sei, fand eben auch in kleinen Städten wie Herborn statt.


Es erscheint nicht leicht Leipzig und die Folgen im Museum darzustellen. Vor Ort gibt es immerhin bemerkenswerte Hinterlassenschaften der Feldzüge von 1813-1815. Die Geschichte darf jedoch das Ringen um die deutsche Einheit nicht vernachlässigen. Da zeigt sich, dass auf einer Fahne der alte schwarz-rot-goldene Reichsadler durch den schwarz-weißen preußischen übermalt wurde, oder dass die Erinnerungsmedaillen der Herborner Veteranen des Kriegervereins beweisen, dass Männer, die sich noch 1866 als Feinde gegenübergestanden hatten, bereits 1870 vereint gegen Frankreich zogen und damit Krieg und eben nicht ein demokratischer Beschluss, zur Grundlage des Kaiserreichs der Hohenzoller wurde.


Rüdiger Störkel