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Memorandum der Stadt Herborn zur Zukunft des Hessischen Landesgestüts Dillenburg

Memorandum der Stadt Herborn zur Zukunft des Hessischen Landesgestüts Dillenburg

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Schließung des Landgestüts Dillenburg hat Bürgermeister Hans Benner das nachfolgende Memorandum an die Staatsministerin des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gerichtet.

 

Er wendet sich gegen die Schließung der Einrichtung, da das Gestüt für die Region und darüber hinaus ein touristisches und historisch bedeutsames Kulturgut ist.

 

Landgestüt in Dillenburg (c) Foto: Katrin Weber

Memorandum der Stadt Herborn zur Zukunft des Hessischen Landgestüts Dillenburg

Wir beziehen uns auf das Schreiben der Frau Ministerin für Umwelt an die Stadt Dillenburg vom 30.6.2017 sowie Berichte in der heimischen Presse.

Die Stadt Herborn wendet sich entschieden gegen die vom Ministerium entwickelten Vorstellungen. Deren Verwirklichung würde die wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Region erheblich beeinträchtigen. Das Landgestüt Dillenburg mit den dort regelmäßig stattfindenden öffentlichen Veranstaltungen und der überregionalen Ausbildungstätigkeit stellt eine Attraktion dar, die die Wahrnehmung der Region günstig beeinflusst und daher auch für den Fremdenverkehr und den Zuzug von Fach- und Führungskräften für die Wirtschaft von Bedeutung ist.

Das Schreiben des Ministeriums sieht eine völlige Schließung der traditionsreichen Einrichtung vor. Deren Ausbildungsfunktion soll sogar außer Landes verlegt werden.  Als Ersatz werden der Stadt Dillenburg Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Areal in Aussicht gestellt. Neue Arbeitsplätze in Landesverantwortung sollen dagegen nicht entstehen.

Die Begründung für den Totalabbau überzeugt nicht. Eine wirkliche Abwägung hat, scheint es, nicht stattgefunden. So fehlt die Würdigung der fachlichen Kompetenz des Landgestüts und vor allem auch seiner Mitarbeiter. Ebenso vermissen wir die Feststellung des besonders hohen Denkmalwertes der Anlage, da in Dillenburg, was selten genug geworden ist, Kulturdenkmäler noch für den Zweck genutzt werden, für den sie gebaut wurden. Die Verbindung von Sachverstand und langjähriger,

kontinuierlicher Erfahrung mit hohem Denkmalschutzwert muss Anlass sein, die geplante Schließung nochmals zu überdenken. Neben betriebswirtschaftlichen Begründungen führt das Ministerium das Tierschutzrecht an. Es wird jedoch nicht klar, warum der nötige Funktionswandel des Gestüts unbedingt zu einer Schließung dieses Juwels des Landesbesitzes führen muss und warum jetzt neuerdings schon länger bestehende Normen im Tierschutz diese erzwingen sollen. Vielmehr fehlt die Darlegung, dass die Normen tatsächlich in Gänze auf den Spezialfall der Haltung von Zuchthengsten zwingend anwendbar sind.

Die Lage des Gestüts im Stadtgebiet wird nur dann als Problem dargestellt, wenn es um die Weiterführung des Gestüts geht, nicht jedoch bei der Frage möglicher Folgenutzungen, obwohl hier das Thema Veranstaltungszentrum im Mittelpunkt steht. Ein solcher Neubau südlich des Reitplatzes würde wegen seiner Auswirkungen auf die Ansicht des wertvollen Ensembles Reithaus-Marstall-Prinzenhaus mit Sicherheit kritisch zu sehen sein, auch wenn er außerhalb des Schutzbereiches entsteht. Auch die Vorstellung, man könne ausgerechnet in der Orangerie eine Gastronomie einrichten, zeugt von zu geringer Ortskenntnis. Insgesamt wird der Stadt Dillenburg ein dürftiges Trostpflaster für den Verlust einer Einrichtung angeboten, die nach dem Schlossberg die zweite Attraktion darstellt. Schon fast zynisch wirkt es, wenn man eine Attraktion, die zur Stadt gehört, schließen will und dafür notwendigerweise her geholte Events als Zukunft benennt.

Gefragt ist ein Politikwechsel. Die hessische Landesregierung sollte sich darauf besinnen, dass die kulturelle Vielfalt in Hessen die Zukunft garantiert und nicht die Metropolregion und wenige Leuchttürme in der Provinz. Das nassauische Dillgebiet mit seiner profilierten Geschichte hat in den vergangenen Jahrzehnten nur den Abbau von Landeseinrichtungen erlebt, von dem unsere Nachbarstadt Dillenburg besonders hart betroffen war. Daher sollte jetzt ein Konzept für die Steigerung der Attraktivität unserer Region entstehen, in dem das Landgestüt Dillenburg eine fördernde Rolle spielt.

Der unmittelbare Vorgänger des Marstalles in der Wilhelmstraße stand im heutigen hessischen Staatsforst Tiergarten. Dieser unmittelbar von dem nassauischen Residenzschloss Dillenburg zugängliche Forst galt im 17. und 18. Jahrhundert als einer der größten und attraktivsten Jagdparks des Alten Reiches. Die Pferdezucht im Tiergarten war Teil einer Nutzung, die nicht nur höfischen Zwecken, sondern auch der Hebung der Landeskultur dienten. Hier gab es Versuchspflanzungen, die zu den Voraussetzungen jener Wiederaufforstung gehören, der wir unseren heutigen Waldreichtum verdanken. Wesentliche Reste der Anlage, so die Ruinen von Ludwigsbronn („Altes Haus“) und das gut erhaltene Jagdhaus Katharinenbronn („Neues Haus“), stellen Anknüpfungspunkte für eine Wiederentdeckung dieser wichtigen großen Parkanlage dar. Bei einer einem sanften Tourismus verpflichteten Gestaltung und Nutzung könnte einer modernen Aufgabenstellung des Gestüts eine tragende Rolle zukommen. Projekte des Landes in Nordhessen ermutigen uns zu der Hoffnung, dass wir mit unserer Anregung Gehör finden und nicht nur hessische Landgrafen im Fokus stehen, zumal das heutige Königshaus der Niederlande aus Dillenburg stammt.

Wir bitten daher die Landesregierung, die Vorbereitungen zur Schließung des Gestüts einzustellen und einer Prüfung der Wiederentdeckung des nassauischen Jagdparks Tiergarten, unter Einbeziehung neuer Funktionen für das Gestüt, näher zu treten.


Hans Benner
Bürgermeister der
Stadt Herborn