Herborn, 16.1.2014: Keine einzige Schneeflocke in den Weihnachtsferien! Und damit auch keine fröhliches Schlittenfahren mit den Freunden! Was für die Kinder eine Enttäuschung bedeutet, freut die Autofahrer und sicher auch die diejenigen, die jeden Morgen vor der Arbeit erst mal Schneeschaufeln hätten müssen. Für die Mitarbeiter des Herborner Baubetriebshofs, die für den innerörtlichen Winterdienst im Stadtgebiet zuständig sind, bedeutet der milde Winter aber keineswegs Langeweile, auch wenn die Schneeschieber Rost ansetzen.
Das Salzlager auf dem Baubetriebshof in der Alsbachstraße ist noch gut gefüllt. Keine 100 Tonnen sind bisher verbraucht worden, schätzt Joachim Welzel, zusammen mit Wolfgang Kunz Bereitschaftsführer. Im neuen Jahr sind die insgesamt acht für den Winterdienst eingesetzten Fahrzeuge ausgerückt, berichten sie. Da gab es schon ganz andere Winter: 2010 auf 2011 verteilten die Streufahrzeuge gut 800 Tonnen auf den Straßen und Gassen von Herborn und den Stadtteilen, weiß Hinrich Schneider, der Leiter des Baubetriebshofs. Und in den auch nicht eben milden Wintern der beiden zurückliegenden Jahre waren es jeweils immerhin 650 Tonnen. Aber es habe auch schon Winter gegeben, wo nur ein einziger Einsatz im Streubuch verzeichnet worden ist.
Wenn Ruhe an der Wetterfront angesagt ist, heißt das aber noch lange nicht, dass die Mitarbeiter die Hände in den Schoß legen können. Wir erledigen derzeit unter anderem Freischneide-Arbeiten, die ja nur bis Ende Februar zulässig sind, sagt Schneider. Außerdem stehen beispielsweise Gewässer-Pflegearbeiten und Feldwegebau an. Dabei sind seine Leute dennoch stets auf einen Wintereinbruch gefasst: Immer freitags werden die acht Fahrzeuge sechs Schlepper, Unimogs und LKW mit Streubehältern von zwei bis drei Kubikmetern vom Bauhof und jeweils einer vom Forst- und vom Bäderbetrieb umgerüstet. Sie bekommen ihren Salzbehälter mit Streuvorrichtung und dem drei Meter breiten Räumschild angebaut, damit es schnell geht, falls es übers Wochenende plötzlich Schneefall oder Eisglätte geben sollte. An den Werktagen richtet sich die Winterdienst-Bereitschaft nach der Wettervorhersage, die Hinrich Schneider per Fax bekommt und mit Wetterdienst-Daten abgleicht: Danach entscheiden wir, ob jemand um 3 Uhr nachts aufstehen muss, erklärt er.
Ist das notwendig, macht dieser diensthabende Mitarbeiter zunächst eine Kontrollfahrt zu exponierten Stellen im Stadtgebiet, um die Straßenverhältnisse dort zu überprüfen zum Beispiel auf den Horch nach Herbornseelbach oder in die hochgelegenen Randbereiche von Schönbach. Wenn der Streudienst ausrücken muss, klingelt jetzt bei anderen Mitarbeitern der Bereitschaft das Telefon. Dann geht alles sehr schnell: Die sechs Fahrer steigen keine halbe Stunde später in die einsatzbereiten Fahrzeuge und steuern ihre natürlich vorher festgelegten Streubezirke an. Insgesamt 145 Kilometer Straße müssen jetzt vor dem Einsetzen des Berufsverkehrs abgestreut oder freigeschoben werden. Wenn wir nur streuen müssen, dauert das insgesamt mindestens vier Stunden, sagt Wolfgang Kunz. Wenn auch Schneeschieben angesagt ist, sind wenigstens sieben Stunden fällig, bis die Wagen zurück zum Bauhof kommen. Außerdem sind vier Mann als sogenannte Handkolonne unterwegs, um beispielsweise am Busbahnhof, vor Kindergärten oder an Fußgängerüberwegen zu räumen und zu streuen.
Dabei gehen die Fahrer nach einer Prioritätenliste vor. Vor Schulen, Kindergärten und bei den Feuerwehren wird zuerst geräumt, ebenso an Steilstrecken und in den Straßen, durch die eine Buslinie führt. Erst danach kommen normale Straßen dran. Zur dritten Priorität zählen dann zum Beispiel die Zufahrten zu Sport- und Vereinsheimen, erklärt der Baubetriebshof-Leiter. Im Einzelfall gibt es Abweichungen: Abends um 22 Uhr muss ich noch nicht vorm Kindergarten fahren, macht Schneider deutlich. In Extremfällen kann eine Schicht auch schon mal länger dauern als die normalerweise zulässigen zehn Stunden: Bei Blitzeis, oder wenn es rund um die Uhr schneit, sind die Mannschaften ohne zeitliche Begrenzung im Dauereinsatz.
Dass sie sich dennoch immer wieder Zu spät, zu viel, zu wenig-Beschwerden anhören müssen, daran haben sie sich gewöhnt und sogar ein gewisses Verständnis dafür. Wolfgang Kunz nennt ein Beispiel: Wenn ein Auto so abgestellt ist, dass ich mit dem drei Meter breiten Schild nicht durchkomme, lasse ich die Straße liegen und komme später wieder, erzählt er. Fährt das Auto dann unterdessen weg, könnten die Anwohner natürlich nicht nachvollziehen, wieso bei ihnen nicht geräumt oder gestreut ist, ergänzt Hinrich Schneider. Dabei wüssten die wenigsten, dass sie normalerweise selbst bis zur Mitte der Straße räumen müssten und sogar zur Entsorgung des Schnees auf ihrem eigenen Grundstück verpflichtet seien, lächelt er: Der Räum- und Streudienst ist nämlich eine freiwillige Dienstleistung der Stadt.
Klaus Kordesch