Herborn, 19.3.2015: Geheimfächer im Regal, Medizin aus Giftschlangenfleisch und ein gefälschter Apotheker-Barockschrank: Da soll einer sagen, Geschichte sei langweilig! Mit der Ausstellung "Von Pillendrehern, Naturwissenschaftlern und Laboranten - Bilder aus Herborns Apothekengeschichte" beweisen der Herborner Geschichtsverein und das Stadtmuseum der Hohen Schule einmal mehr das Gegenteil.
Die Sonderausstellung erlaubt einen tiefen Einblick in die Bedeutung des Apothekenwesens für die Herborner Bevölkerung und auf die dahinter stehenden traditionsreichen Familien. Der ehemalige Herborner Stadtarchivar Rüdiger Störkel spricht angesichts der über bis zu zehn Generationen reichenden Stammbäume gar von "Apotheker-Dynastien". Erstmals richtet sich der Blick mit der Schau auch auf die bislang kaum beachtete Geschichte der Laboratorien der Herborner Apotheken. Beispielhaft sind historische Gerätschaften aus dem Laboratorium der Herborner Amts-Apotheke zu sehen, allen voran ein auf Initiative von Winfried Rohrbeck restaurierter Destillierofen zum Herstellen von Medikamenten samt Kühler. Der von der Firma G.J. Mürrle in Pforzheim hergestellte Destillierofen stammt wahrscheinlich aus der Zeit um 1890. Vermacht hat der verstorbene Inhaber Walter Weyel die Utensilien dem Museum zusammen mit den historischen Offizin-Ausstattungen, die schon seit längerer Zeit im Museum zu sehen sind. Dass der Nachbau der früher ausgestellten "Einhorn"-Apothekerschränke nicht erhalten ist, sollte indes laut Störkel niemanden traurig stimmen: Offenbar waren sie zumindest teilweise aus Überbleibseln renovierter Tiroler Barockkapellen zusammengestückelt und keineswegs original.
Passend zu dem Einblick in die Laboratorien ergänzen Exponate der von Annelore Specht gestalteten Ausstellung über Johann Georg Daniel Leers als den bedeutendsten Herborner Apotheker und Botaniker die Ausstellung. Mit dieser Zusammenstellung würdige "die Ausstellung einen wesentlichen Teil unserer Stadtgeschichte", lobte Bürgermeister Hans Benner das Konzept anerkennend, als er die Schau zusammen mit dem Geschichtsvereins-Vorsitzenden Joachim Wienecke eröffnete. Rüdiger Störkel machte die enge Verbindung der Apotheken zu den Medizinern der Hohen Schule bewusst und erläuterte die Gesundheitsvorsorge-Maßnahmen der Obrigkeit, die zu Zeiten des Herzogtums Nassau ab 1818 in der flächendeckenden Versorgung mit Arztpraxen und Apotheken gipfelten: In jedem Amt des Herzogtums sei ein Medizinalrat und ein Amts-Apotheker eingestellt worden, erklärte Störkel. Die Bezeichnung "Amts-Apotheke" erinnere heute noch daran.
Die Ausstellung ist voraussichtlich bis Ende September immer dienstags, mittwochs, samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr sowie für Gruppen und Schulklassen nach Absprache auch vormittags zu besichtigen. Weitere Informationen gibt es bei Museumsleiterin Ulrike Litzba per E-Mail an info@museum-herborn.de und per Telefon (02772) 57 38 10. Der Eintritt kostet für Erwachsene 2,50 Euro, für Kinder und andere Ermäßigte einen Euro. Die Familien-Eintrittskarte bekommt man für fünf Euro.
Klaus Kordesch