Eine ganze Reihe Menschen sind für diese Erfolgsgeschichte verantwortlich - und zugleich dafür, dass die Besucher sich wohlfühlen, wenn sie zum Weihnachtsmarktplatz kommen. Weihnachtsmarktplatz? So heißt unser kleiner Weihnachtsmarkt von Anfang an ganz bewusst, weil er eben gar nicht in Konkurrenz treten will mit den großen Verkaufsmärkten in anderen Städten. Für 2008 hat der Herborner Werbering dann zusammen mit dem Koblenzer Schausteller Christian Hoernchen als Veranstalter das Konzept aus der Taufe gehoben - und damit zunächst eine Durststrecke durchstehen müssen: Bei schlechtem Wetter blieben die Gäste aus - und es gab mitunter viel schlechtes Wetter. Romana Kalbfleisch, die alle Weihnachtsmarktplatz-Besucher als ebenso gutgelaunte wie schlagfertige Glühwein-Verkäuferin kennen, und ihre Kollegen blieben oft tagelang auf ihren Angeboten sitzen.
2010 kam die Wende: Hoernchen schaffte das große Pagodenzelt an, das sich seitdem als Zentrum des Weihnachtsmarktplatzes etabliert hat. Als Wind- und Wetterschutz leistet es seitdem wertvolle Dienste, hat es den Markt doch auch ein Stück weit wetterunabhängig werden lassen. Dabei hat auch das seinen Preis: Noch im gleichen Jahr mussten sich Christian Hoernchen und sein Schwager Richard Kalbfleisch nachts abwechseln, um bei den starken Schneefällen dieses Winters nachts die schwere weiße Pracht vom Dach des Zelts zu räumen. "Es fiel so viel Schnee, dass er mit dem Radlader auf den Schießplatz gebracht werden musste, weil in der Stadt kein Platz mehr war", erinnern sich die beiden.
Das liebevoll festlich geschmückte Pagodenzelt mit seinen neun Meter Durchmesser ist sicher die wesentlichste Veränderung des Weihnachtsmarktplatzes, aber keineswegs die einzige. "Wir müssen jedes Jahr etwas Neues machen und investieren, um uns von der Konkurrenz abzusetzen", sagt Hoernchen. In diesem Jahr hat er beispielsweise drei neue Hütten mitgebracht, die er passend für den LKW-Anhänger konstruiert und mit Kranhaken und Stapler-fahrbar gebaut hat. Übers Jahr kann er die Stände mit Scheiben ausgestattet als Kassenhäuschen auf anderen Märkten einsetzen. "Viele Investitionen sieht man auch erst auf den zweiten Blick", erläutert er. Zum Beispiel seien die Stände mit Alu-Rückwänden aufgerüstet und die Holzverkleidungen renoviert worden.
Gut vier Wochen Vorbereitungszeit braucht es für den Herborner Weihnachtsmarktplatz. Und wenn dann am 30. Dezember die Stände schließen, haben die Schausteller noch lange nicht frei: Gut 14 Tage brauchen sie noch zum Einlagern und für Nacharbeiten, berichtet Richard Kalbfleisch. "Herbie", der singende Elch auf dem Glühweinstand, braucht beispielsweise nach dem Dauereinsatz einige Zuwendung: "Die Pneumatik mit den Luftdruckleitungen und Dichtungen muss gepflegt werden", erzählt er: Herbie wird mittels eines Kompressors, der in einem Anhänger am Weihnachtsbaum verborgen ist, über druckfeste Schläuche das von aufwändiger Elektronik gesteuerte Leben eingehaucht. Zusätzlich stehen die "Winterarbeiten" an, unter anderem das Renovieren der Stände: "Das Geschäft muss attraktiv bleiben, das Gewerbe ist ein harter Kampf", sagt Richard.
Urlaub planen er und seine Frau Romana erstmal nicht: "Dafür ist gar keine Zeit", sagt sie. Außerdem haben sie erst vor drei Jahren ihren neuen Glühweinstand gekauft. Und Qualität hat halt ihren Preis. Dafür können Romana und Richard ihren Kunden unter anderem immer für gleichbleibende Temperaturen ihrer Heißgetränke garantieren, die sie größtenteils direkt von einem Winzer im Rheingau beziehen.
Auch die tägliche Arbeitszeit der Schausteller kann einem nur Respekt abnötigen: Bei Sascha Tippelt, der mit seinem Team die Imbissstände und das Kinderkarussell auf dem Weihnachtsmarktplatz betreibt, beginnt der Tag morgens um 6 Uhr mit dem Beladen des Wagens, mit dem er dann auch seine Stände in Limburg und Hadamar versorgt, bevor er nach Herborn kommt. Dort wird dann das Zelt wieder fit für den Tag gemacht, die Tische gesäubert und gestellt, das Pflaster von Zigarettenkippen befreit und der Verkauf vorbereitet, bis der Weihnachtsmarktplatz um 11 Uhr öffnet. Ganz ähnlich läuft es bei den Kollegen. Und wenn abends um etwa 22 Uhr die Stände schließen, heißt das noch lange nicht Feierabend für die Betreiber: "Dann werden unter anderem noch die Leitungen durchgespült und der Stand gesäubert", erzählen Romana und Richard Kalbfleisch, die während der vier Wochen mit ihrem Sohn in einer Ferienwohnung in der Herborner Innenstadt leben. Dort wartet noch die Buchhaltung samt Bestellungen und Personalabrechnungen auf die Schausteller, während ihre Kunden sich zuhause hoffentlich zufrieden in ihre Betten fallen lassen.
Auch Sascha Tippelt ist "bis zum Oktoberfest" etwa ein dreiviertel des Jahres nicht in Limburg, sondern in seinem Wohnwagen unterwegs zuhause. "Für dieses Leben muss man geboren sein, das kann nicht jeder", sind sich Tippelt, Hoernchen und die Kalbfleischs einig. Sie stammen alle aus Familien, die seit mehreren Generationen in der Branche tätig sind - nahezu das ganze Jahr auf Reisen und unterwegs auf Jahrmärkten und Volksfesten in ganz Deutschland. Romana und Richard beispielsweise sind mit ihrem Backfisch-Leuchtturm unter anderem auf dem Cannstatter Wasen und beim Lullusfest in Bad Hersfeld anzutreffen, während Tippelt mit seinen Imbissständen und dem "Hollywood Star"-Karussell die näher gelegenen großen Märkte in Bad Ems und Wissen bespielt. Bei seinen Lieferanten bestellt er per Handy, sie liefern per Kühlspedition direkt vor Ort: "Der eine bringt Pommes, ein anderer den Fisch und der dritte die Wurst", erläutert er.
Nach Herborn kommen die Schausteller allesamt aber besonders gerne. "So ein gutes Miteinander gibt´s sonst nirgendwo", bringt es Romana Kalbfleisch auf den Punkt: "Das ist schon fast wie ein familiäres Umfeld, deshalb sind wir alle auch mit ganzem Herzen dabei!" Viele der Kunden kennen sie schon seit Jahren - manche von ihnen kommen Dutzende Kilometer weit immer wieder nach Herborn. "Hier ist der schönste kleinste Weihnachtsmarkt, sagen sie", zitiert sie. Manche halten über Facebook das ganze Jahr über den Kontakt aufrecht und freuen sich schon im Oktober darauf, dass es "bald wieder losgeht", freut sie sich mit ihren Kollegen. Dass das alles auch dank des guten Miteinanders von Schaustellern, Werbering und Stadtmarketing so gekommen ist, wissen die Schausteller genau: "Die stehen von Anfang an voll hinter uns", loben sie die Zusammenarbeit. Und wie in den vergangenen Jahren wollen sie auch dieses Jahr ein bisschen zurückgeben an die Herborner und alle Gäste: Zum einen verkaufen sie für drei Euro die von der Stadt angeschafften Sammler-Glühweintassen - in diesem Jahr in grüner Farbe gehalten - für einen guten Zweck, zum anderen organisieren sie wieder am 13. Dezember einen eigenen Spendentag: Die kompletten Tages-Einnahmen am Kinderkarussell und aus dem Verkauf von Kinderpunsch werden ebenfalls für einen guten Zweck gespendet. Klaus Kordesch