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Seit 540 Jahren belegt: Herborns Jahrmärkte im Laufe der Geschichte

Seit 540 Jahren belegt: Herborns Jahrmärkte im Laufe der Geschichte

Herborn, 04.11.2010: In einer nassauischen Rentmeisterrechnung von 1465 sind Herborner Jahrmärkte erwähnt. Dies ist eine zufällige Ersterwähnung, die Märkte waren älter. Seit diesem Jahr sind zahlreiche Nachrichten über die Marktplätze, die Marktpolizei, die Marktbesucher und mancherlei Vorfälle während des Markttreibens überliefert.


Vieles hat sich in dieser Zeit geändert, eines blieb jedoch stetst gleich: Der Martinimarkt war immer der wichtigste Herborner Jahrmarkt und einer der ganz großen der weiteren Umgebung.


Schon um 1330 schickte das Kloster Seligenstatt bei Seck im Westerwald seinen Kellner zu Martini nach Herborn, um dort die aus der Herborner Mark eingehenden Einkünfte des Klosters zu erheben. Dies macht nur Sinn, wenn zu diesem Termin aus der gesamten Gegend Menschen in der Stadt zusammenströmten und das erforderliche Bargeld aufgebracht werden konnte. Zu erwarten war dies am ehesten auf einem bedeutenden Markt, der den Bauern Gelegenheit gab, ihre Erzeugnisse zu versilbern. Man kann daher annehmen, dass der Martinimarkt tatsächlich schon vor 1330 gehalten wurde.


Wichtigster Konkurrent des Martinimarkts war früher der Himmelfahrtsmarkt. Während Martini ein fester Tag im Kirchenkalender ist, bewegt sich der Himmelfahrtstag mit dem Ostertermin. Der große Frühlingsmarkt Herborns konnte damals daher auch Walpurgis- , Heiligkreuz- oder Philippi – Jacobimarkt heißen, wenn sein Termin Anfang Mai lag. Der Walpurgismarkt von 1592 fiel auf den Tag der jährlichen Bürgermeisterwahl. Die Herborner Bürgermeister wurden damals im Auftrag des nassauischen Grafen von dem in Dillenburg amtierenden Rentmeister eingesetzt. In diesem Jahr beschlossen die Herborner, die Bürgermeisterwahl zu verschieben, weil alle Beteiligten auf das Marktgeschäft angewiesen waren. Nur vergaß man, in Dillenburg Bescheid zu sagen. Als der Rentmeister feierlich anreiste, um die Rechnung der ausscheidenden Bürgermeister zu prüfen und die neuen ein zu setzen, fand er auf dem Rathaus niemanden vor. Sein Zorn verrauchte, als man ihm einen ordentlichen Schluck Wein verehrte.


Die Märkte unserer Region hatten meist auch einen bedeutenden Viehhandel. Jahrhunderte lang berühmt waren die Herborner Pferdemärkte, die an vier Donnerstagen in der Fastenzeit statt fanden. Auf den Fastenmärkten, traten auch Herborner Schüler und junge Bürger auf, die den Marktbesuchern Straßentheater vor führten. Die Herborner Fastnachtspiele waren um 1500 berühmt und wurden sogar gelegentlich von nassauischen Grafen und anderen vornehmen Adligen besucht.

Herborner Jahrmärkte waren immer auch Volksfeste, auf denen auch „mal einer druff gemacht“ wurde. Man aß und trank mehr und besser als sonst, dass Geld saß locker, zumal mancher Marktbesucher zuvor ein Stück Vieh los geschlagen hatte.


Damit die Lustbarkeit nicht ausartete, musste die Stadt eine bis an die Zähne bewaffnete Bürgerwache halten.

1719 war ein herausragendes Weinjahr und der junge Wein kam in Fassladungen auf den Herborner „Merdes – Mahd“. Anschließend war halb Nassau betrunken und mancher kam mit Beulen heim.


Die Herborner Jahrmärkte fanden vermutlich ursprünglich innerhalb der Stadtmauern statt. Das Rätsel, warum man 1562 in den Braunsturm (heute: „Leonhardsturm“) am Hintersand ein Tor einbaute, löst sich, wenn man erfährt, dass ab 1563 auf dem Hintersand die Jahrmärkte abgehalten wurden. Der neue Marktplatz war nun von der unteren Dillbrücke (heute „Eiserner Steg“, von der „Hohl“ am Schloss, vom Untertor und von dem neuen Tor aus zu erreichen.


1767 gab es eine denkwürdige Neuerung. Der Marktplatz für die Jahrmärkte wurde nach Süden auf die östliche Dillseite verlegt. Die Stadt ließ dafür eine Strasse bauen und beauftragte den „Stadtmusicus“ mit der künstlerischen Umrahmung der feierlichen Markteinweihung. Der Platz hatte bisher den Kriegsübungen der Bürgerwehr gedient und hieß daher, wie noch heute, „Schießplatz“. Zunächst wartete man auf dem Rathaus vergeblich darauf, dass die schön angelegte Rasenfläche mit ihren hochstämmigen Schattenbäumen das seit Jahrzehnten lahmende Marktgeschäft der Stadt steigerte. Erst um 1800 wurde es hier so lebhaft, dass man wirklich zufrieden sein konnte, zumal die Marktbesucher die Herborner Läden und Kneipen reichlich bevölkerten.


Es ist nicht erstaunlich, dass die „Neustadt“, die die Herborner um 1840 - 60 südlich der Altstadt anlegten, bis zum Schießplatz reichte und bald am anderen Ufer ein Gegenüber fand. Hier siedelten sich mehrere Geschäfte an, darunter auch eine Gastwirtschaft mit großem Saalbau. Zehnmal im Jahr war damals Viehmarkt auf dem Schießplatz oft mit legendären Umsätzen. Meist wechselte Schlachtvieh für den Versand über den Herborner Güterbahnhof den Besitzer.


Zufriedene Landwirte gaben danach, nach altem Brauch, einen Teil des Erlöses für Bier, Wurst und Weck aus und schimpften später über den „Geldschlund Herwen“. Manche blieben eine Weile „hängen“. Nicht umsonst hieß eine Eckkneipe der „Neustadt“ lange „der Merkenbacher Bahnhof“ !

Der früher für Herborn typische Viehhandel ging im Laufe der 1950er Jahre ein. Heute hat der Schießplatz sämtliche Schattenbäume verloren und dient zu Martini als Vergnügungspark, während der „Kramhandel“, die andere traditionelle „Säule“ der Herborner Jahrmärkte, nach wie vor mit großem Zuspruch in den Strassen gehalten wird.


Rüdiger Störkel