Die Gründe für die Ausbreitungen waren, dass die Menschen durch Hunger, Missernten und langanhaltende kriegerische Auseinandersetzungen geschwächt und der aufkommenden Mobilität von Fernhandel zu Land und Wasser, Pilgerreisen und Kriegszüge den Seuchen ausgeliefert waren.
Der schwarze Tod war um 1483 erstmals in Herborn aufgetaucht. Die Stadtführer Andreas Podhorny und Heidi Jäger haben eine besondere Führung zum Thema „Pest“ insbesondere für die großen Pestjahre ein tausend 6 hundert sieben (1607) bzw. 1635/36 ausgearbeitet. Die damaligen Gesetze und öffentlichen Maßnahmen der Stadtregierung und Landesherren wie Kontaktverbote, Einreisebeschränkungen, Isolation, Quarantäne, Siechhäuser/ Pesthütten und Schulschließungen, die den Herborner Bürgern auferlegt wurden, zeigen viele Parallelen zur jetzigen Corona-Pandemie. Es mangelte auch nicht an Verschwörungstheorien. Die medizinischen Möglichkeiten der Bader und Wundärzte kamen sehr schnell an ihre Grenzen. Das Gesundheitswesen war zu dieser Zeit erst im Aufbau begriffen. Erst mit der Herstellung von Antibiotika vor 70 Jahren ist die Pest heilbar, wenn sie frühzeitig erkannt wird.
Spätestens seit dem dramatischen Auftreten der Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts hat die Krankheit auch in der Kunst, Architektur und Literatur Einzug gehalten. Prominente Bespiele sind die Festspiele in Oberammergau als Dank für die Beendigung der Pest, die Pestsäule in Wien, die Kirche Santa Maria della Salute in Venedig und Albert Camus Buch „Die Pest“ steht wieder auf der Bestsellerliste. Auch ein Pestgedicht eines unbekannten ehrsamen Herborner Bürgers von 1607, der seine Empfindungen in der Zeit zum Ausdruck bringt, wird bei dem Stadtrundgang geschildert. Beispielhaft steht auch das Lied „O du lieber Augustin“.
O du lieber Augustin
Der Legende nach war der Bänkelsänger Marx Augustin 1679 während der Pestepidemie wieder einmal betrunken und schlief irgendwo in der Gasse seinen Rausch aus. Siechknechte, die damals die Opfer der Epidemie einsammelten, fanden ihn, hielten ihn für tot und fuhren die Schnapsleiche zusammen mit den Pestleichen auf ihrem Karren vor die Stadtmauer. Dort warfen sie alle in ein offenes Massengrab. Wie damals üblich, wurde das Grab nicht sofort geschlossen, sondern provisorisch mit Kalk abgedeckt, um später weitere Pestopfer aufzunehmen. Am folgenden Tag habe Augustin inmitten der Leichen so lange krakeelt und auf seinem Dudelsack gespielt, bis Retter ihn aus der Grube zogen.
O du lieber Augustin, Augustin, Augustin,
O du lieber Augustin, alles ist hin.
Geld ist weg, Mensch (Mäd’l) ist weg,
Alles hin, Augustin.
O du lieber Augustin, Alles ist hin.
Rock ist weg, Stock ist weg, Augustin liegt im Dreck,
O du lieber Augustin, Alles ist hin.
Und selbst das reiche Wien, Hin ist’s wie Augustin;
Weint mit mir im gleichen Sinn, Alles ist hin!
Jeder Tag war ein Fest, Und was jetzt?
Pest, die Pest! Nur ein groß’ Leichenfest, Das ist der Rest.
Augustin, Augustin, Leg’ nur ins Grab dich hin!
O du lieber Augustin, Alles ist hin!
Danach soll Augustin sein Erlebnis als Bänkelsänger vorgetragen und davon recht gut gelebt haben. Die Pest ist immer noch gegenwärtig. 1972 wurde ein internationales Verbot für die Entwicklung und Lagerung von Pestbakterien als biologische Waffe beschlossen. In den letzten Jahren wurde von der WHO noch vereinzelt Fälle in den USA, Mongolei, Uganda, Tansania und Madagaskar gemeldet.
Die Führungen auf den Spuren der Pest-Pandemie des Jahres 1607 finden erstmals am Samstag 27. Juni. und Sonntag, 28.Juni statt. Im Juli sind Führungen am Samstag, 04.Juli und Sonntag, 05.Juli, sowie an den Samstagen, 11.Juli und 18.Juli jeweils ab 14 Uhr geplant. Startpunkt für die Führungen ist im Stadtpark „Alter Friedhof“.
Für die Führungen gelten die vom hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen vom 12. Mai 2020 Verordnungen zu Abstandsregeln, Gruppengröße und Kontaktdaten. Gruppenführungen mit maximal 15 Personen können auch auf Nachfrage zum Wunschtermin durchgeführt werden. Karten zum Preis für je 7 Euro können im Büro des Stadtmarketing im Bahnhof erworben oder auch per Mail, Kennwort: „ein tausend 6 hundert sieben“ (1607) bestellt werden.
Bei einer Bestellung erfolgt die Zahlung (zuzüglich Versandkosten) vorab kontaktlos über Paypal (Austausch der Kontaktdaten der Bucher und Angabe der Paypal-Accountdaten nur auf konkrete Anfrage über tourist@herborn.de). Die Teilnehmerkarte beinhaltet für das Jahr 2020 freien Eintritt in das Museum „Hohe Schule“, wo noch einige Exponate zur Themenführung besichtigt werden können.