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Trachtenvielfalt zu Ostern im Museum Herborn

Trachtenvielfalt zu Ostern im Museum Herborn

Herborn, 5.4.2012: Das Museum Herborn in der Hohen Schule öffnet zu Ostern seine Tore (Samstag, Sonntag und Montag, jeweils 13-17 Uhr). Neben den Dauerausstellungen zeigt eine kleine Übergangsschau im Foyer einige Glanzlichter der Sammlungen, die sonst nicht gezeigt, bzw. nicht so beachtet werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Sammlung von Trachtenhäubchen aus dem gesamten alt-nassauischen Dillgebiet. Ergänzt werden diese Originale durch einen wunderschönen großen Farbdruck mit einem Motiv aus der Schwalm von Wilhelm Thielmann. Das Geburtshaus dieses bedeutenden Künstlers in der Herborner Chaldäergasse fällt soeben leider der Spitzhacke zum Opfer. Thielmann verewigte die Tracht der Schwälmer Bauern, nicht jedoch die seiner Heimat. Tatsächlich konnte man bereits in der Zeit, als der begabte Graphiker und Maler sich der sehr traditionsgeprägten Landschaft in Oberhessen, die im Windschatten der Industriellen Revolution lag, zuwandte, an der Dill Trachten, im Sinne von regionaler bäuerlicher Kleidung, nur noch in Rückzugsgebieten, wie Eibach und den Gemeinden der oberen Dietzhölze finden. Dies hing mit der Industrialisierung zusammen.


Vor allem die Männer gaben fast überall ihre „Tracht“ bereits früh im 19. Jahrhundert auf, weswegen sie auch nicht in Bilddokumenten festgehalten wurde. Aus diesem Grunde konnte auf dem Herborner Hessentag von 1986 auch keine „Herborner Tracht“ (wenn es sie überhaupt je gegeben hatte) vorgestellt werden, sondern lediglich eine historisierende Kostümerfindung. Die Tatsache, dass die Frauen im Dillgebiet demgegenüber die Tracht hier und da bis in das 20. Jahrhundert hinein bewahrten, hängt eng mit den besonderen Formen der Industrialisierung zusammen. Die wichtigsten Arbeitgeber, die Eisenhütten, fuhren ihre Betriebe im Saisongeschäft. Es kam, wie auch bei dem hoch konjunkturanfälligen Bergbau, jedes Jahr zu Entlassungswellen. Auf einer solchen Grundlage fand sich kein Kleinbauer bereit, seinen Besitz aufzugeben und in die Nähe einer Fabrik zu ziehen. Vielmehr kam der der Typ des Berufspendlers auf, der oft werktags in Schlafhäusern („Menagen“) auf dem Werk übernachtete. Schon vorher kannte man Dörfer, wo viele Männer als Hausierer oder Fuhrleute aushäusig waren. Es waren die Frauen, die vor Ort die Familie tatsächlich vertraten und die Landwirtschaft leiteten oder auch eigenhändig betrieben. Sie sorgten für das wirtschaftliche Überleben, wenn wieder einmal „Schicht im Schacht“ war. Sie achteten auch auf ihr Erscheinungsbild und mussten zugleich einen harten, von Wetter und Schmutz geprägten Alltag bewältigen. Die Ausprägung dieser Verhältnisse in der Kleidung der Bäuerinnen wird sehr deutlich, wenn man das Nassauische Trachtenbuch von Friedrich Hottenroth aus dem Jahre 1905 betrachtet. Für die Arbeit waren die auffällig großen Schürzen. Als Schmuck und zugleich Schutz für die aus praktischen Gründen zum Knoten zusammengebundenen langen Haare dienten die Häubchen, als eigentliches Merkmal der bäuerlichen Kleidung unserer Gegend. Hier bewies sich die Kreativität der Frauen, die eine Vielfalt von Schöpfungen hinterlassen haben. Dabei wurden eigene Handarbeiten mit „Tand“, der bei den Herborner Knopfmachern oder bei Reisenden eingekauft wurde, zu neuen Kreationen verarbeitet. Die Herborner Sammlung wurde vermutlich von dem bekannten Museumsleiter Johann Heinrich Hoffman (vgl. Bürgerdenkmal) zusammengetragen und bildete anscheinend eine wichtige Grundlage für Hottenroths Darstellung der Trachten der „Dillgegend“.


Rüdiger Störkel


Bild: Trachtenhäubchen von 1869. Museum Herborn