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Unverletzte Jungtiere am Fundort belassen – in der Regel sind sie nicht verlassen!

Unverletzte Jungtiere am Fundort belassen – in der Regel sind sie nicht verlassen!

Herborn, 9.5.2012: Der Wonnemonat Mai ist in der Natur wie auch in den naturnahen Gehegen des Herborner Vogel- und Naturschutztierparks ein Monat des Nachwuchses: Im Vogelpark führen derzeit gleich zwei Paare der aparten Teichhühner ihre winzigen Küken. Ein Teichhuhnpaar teilt den Teich an der Storchenwiese mit einer niedlichen Stockentenfamilie, während die zweite Teichhuhnfamilie den Biotopteich der seltenen Europäischen Sumpfschildkröten bewohnt. Auf der Storchenwiese wird in den nächsten Tagen mit dem Schlupf der ersten Storchenküken gerechnet, und auch Schneeeule „Hedwig“ sowie Bartkauzdame „Cassandra“ brüten eifrig. Hingegen haben die besonders baufreudigen Hammerköpfe erst am 1. Mai die begehbare Afrikavoliere bezogen und sind dementsprechend, ebenso wie die benachbarten südamerikanischen Roten Ibisse, noch eifrig mit dem Nestbau beschäftigt.


Während diese erfreulichen Ereignisse das Team des Naturerlebniszentrums hoffnungsvoll stimmen, so hält das Familienleben in der Natur leider auch in diesem Frühjahr die Vogelparkmitarbeiter über Gebühr in Atem. Denn erneut häufen sich die Fälle, in denen nur scheinbar verlassene Jungtiere von Tierfreunden in falsch verstandener Tierliebe aufgegriffen werden, um sie von Hand großzuziehen.


Vogelparkleiter Wolfgang Rades warnt die Bevölkerung im Interesse der Tiere vor allzu großen Vermenschlichungen und bittet die Tierfreunde dringend darum, unverletzte Jungtiere am Fundort zu belassen. Denn wie der Biologe betont, handelt es sich bei den weitaus meisten - nur scheinbar hilflosen - Jungtieren gar nicht um Waisen. Rades: „Unter den Säugetieren gilt das beispielsweise für Rehkitze oder junge Feldhasen, die von ihrer Mutter nur abgelegt werden, um sie einige Male am Tag oder auch in der Nacht zum Säugen aufzusuchen.“


Nach Mitteilung des Experten kommt es zudem in der Vogelwelt sehr oft vor, dass noch kleine, aber schon befiederte Jungvögel, z. B. Eulen oder auch Singvögel, ihr Nest vorzeitig verlassen. Diese noch nicht flugfähigen Jungvögel würden als „Ästlinge“ bezeichnet, die ihr enges Nest schon früh verlassen, um dann im Astwerk oder auf einer Wiese sitzend weiterhin durch Bettelrufe mit ihren Eltern in Verbindung zu stehen. Dies sei als teil der Fortpflanzungsstrategie der Vögel ein natürlicher Vorgang, und auch außerhalb des Nests würden diese „Ästlinge“ weiter von ihren Eltern versorgt. „Solche Jungvögel, die keine menschliche Hilfe benötigen, aufzugreifen und somit quasi zu „kidnappen“, ist deswegen falsch verstandene Tierliebe“, ruft der Herborner Tiergartenbiologe die Naturfreunde zu einem besonnenen Umgang mit wildlebenden Jungtieren auf.


Nur in den Fällen, in denen der Aufenthaltsort eines Jungvogels an einem kritischen Platz, etwa direkt an einer stark befahrenen Straße oder auf einem Kinderspielplatz ist, sollten Tierfreunde helfend eingreifen, aber natürlich mit Augenmaß! In solchen Fällen empfiehlt es sich, den Jungvogel in einigen Metern Entfernung an eine geschützte Stelle, zum Beispiel in eine Hecke oder unter ein Gebüsch, umzusetzen. Noch nackte Jungvögel sollten hingegen möglichst vorsichtig ins Nest zurückgesetzt werden. Die Berührung durch den Menschen ist bei den Vögeln nach Mitteilung des Herborner Biologen unproblematisch, da sich die Vogeleltern im Gegensatz zu Säugetieren nicht am menschlichen Geruch stören.


Dringend rät der Wolfgang Rades davon ab, Jungtiere zur Handaufzucht mitzunehmen. Denn erstens sei die Handaufzucht zumeist schwierig. Zudem hätten von Hand aufgezogene Jungtiere selbst bei fachgerechter Pflege sehr viel schlechtere Überlebenschancen als die in der Natur aufgewachsenen. „Nicht von ungefähr erlaubt das Bundesnaturschutzgesetz die vorübergehende Aufnahme von Jungtieren wildlebender Arten nur dann, wenn sie verletzt oder krank und somit wirklich hilflos sind“, betont der Vogelparkleiter. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, telefonische Auskünfte bei der Unteren Naturschutzbehörde der Kreisverwaltung (im Lahn-Dill-Kreis Tel. 06441/4071831), der Vogelklinik Gießen (Tel. 0641/9938432), der Staatlichen Vogelschutzwarte in Frankfurt (Tel. 069/420105-0), der örtlichen NABU-Gruppe oder im Vogelpark Herborn (Tel. 02772/42522) einzuholen.


Immer wieder muss das Vogelparkteam darauf hinweisen, dass Herborns Vogelpark längst nicht alle pflegebedürftigen Vögel aufnehmen kann. Rades: „Dies hat neben den begrenzten Kapazitäten im Vogelpark auch hygienische Gründe. Denn es gilt, ein Infektionsrisiko für den kostbaren Vogelbestand unseres Parks auszuschließen. Deswegen können wir uns nicht um die häufigen Arten wie Singvögel, Mauersegler, Tauben oder Enten kümmern!“


Folglich nimmt der Vogel- und Naturschutztierpark Herborn in seiner kleinen Auffangstation nur Vertreter der selteneren Arten wie Greifvögel, Eulen, Störche, Kraniche, Reiher, Taucher oder Eisvögel auf. Da in Hessen, im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern, die Arbeit von Wildtierpflegestationen leider kaum vom Land bezuschusst wird, ist der Vogelpark Herborn aufgrund der - übrigens freiwillig - erfolgenden Übernahme der Aufgaben einer Greifvogelpflegestation sowie der Beratung von Naturfreunden natürlich froh über jede finanzielle Unterstützung, sei es durch die Übernahme einer Patenschaft oder auch „nur“ durch die Eintrittsgelder der in diesem Mai hoffentlich besonders zahlreichen Vogelparkbesucher.