Herborn, 12.2.2015: Manches Ausstellungsstück im Herborner Stadtmuseum erblickt eher selten das Tageslicht. Viele Gegenstände aus der Vergangenheit passen thematisch einfach nicht in die Dauerausstellungen. Aber vielfach wäre es einfach zu schade, solche Zeugnisse früherer Zeiten in den Archivräumen schlummern zu lassen. Deshalb stellt das Stadtmuseum Herborn künftig alle vier Wochen ein "Objekt des Monats" vor, das so interessant ist, dass es nicht unbeachtet verstauben sollte.
Nein, das heutige Objekt hat nichts mit Weihnachten zu tun - und es sind auch keine Zapfen, die an der Holzkonstruktion befestigt sind, sondern die getrockneten Fruchtstände der sogenannten Weberkarde. Deren Name weist bereits in die richtige Richtung: Dieses Werkzeug kam bei den Tuchmachern zum Einsatz, um Wollstoffe aufzurauen, flauschiger zu machen und damit sozusagen zu veredeln. Es handelt sich um eine sogenannte Distelkarde. die ob ihrer Bedeutung sogar im Zunftzeichen der Tuchmacher zu sehen ist. Um sie herzustellen, wurden die getrockneten Fruchtstände, deren sehr elastischen Dornen am Ende kleine Widerhaken tragen, der Länge nach durchbohrt, auf einen Draht gefädelt und so mit dem Holzkreuz verbunden, dass der Tuchmacher mit den sehr elastischen Dornen den Stoff kämmen und aufrauen konnte, ohne ihn zu zerreißen.
Natürlich mussten die dornigen Pflanzenteile recht häufig ersetzt werden. "In den Dillenburger Intelligenznachrichten wird Ende des 18. Jahrhunderts noch dazu aufgerufen, die Weberkarde anzubauen", weiß die Museumsleiterin Ulrike Litzba zur Bedeutung der Industriepflanze. Distelkarden seien schon sehr früh genutzt worden und nur schwer zu ersetzen gewesen, erzählt sie. Selbst nach dem Einsetzen der Industrialisierung habe man die getrockneten Fruchtstände der Weberkarde noch eine Zeitlang in Maschinen verwendet, weil Experimente mit auf Lederbändern montierten Messing- oder Stahldornen zunächst nicht zufriedenstellend verlaufen seien: "Die Distelkarde war lange Zeit einfach unschlagbar!" Abgelöst wurde sie schließlich aber doch von den sogenannten "Kratzen" mit Drahtnadel-bestückten Lederbändern. Heute werden Weberkarden nur noch für Spezialstoffe eingesetzt, beispielsweise für die Filzbespannung von Billardtischen.
Das "Objekt des Monats" ist im Museum in der Hohen Schule ab sofort zu den Öffnungszeiten (dienstags, mittwochs, samstags und sonntags jeweils von 13 bis 17 Uhr) sowie nach vorheriger Absprache (zum Beispiel für Gruppen, Schulklassen o. ä. auch vormittags) zu sehen. Weitere Informationen bei Ulrike Litzba, Tel.: (02772) 57 38 10.
Klaus Kordesch