Herborn, 9.5.2012: Erklärtes Ziel des Vogelpark-Teams ist es vor allem, mit seinen Angeboten der fortschreitenden Naturentfremdung der Kinder und Jugendlichen entgegenzuwirken. Eine Studie der Universität Marburg und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ergab z.B., dass zwar nur 1% der befragten Jugendlichen Lila als natürliche Farbe der Kühe einstuften, dafür aber hielten 9% Enten für gelb. Weitere Befragungen ergaben, dass die Gelbquote bei Enten um so größer ausfiel, je jünger die Befragten waren. Gelbe Enten werden vor allem in den Medien mit ihrer Tendenz zu Kindchenschemata propagiert (Sendung mit der Maus, Sesamstraße, Tigerentenklub) und es scheint fast so, als lernten Kinder Tiere zuerst im Fernsehen und danach in der Realität kennen.
Parkleiter Wolfgang Rades ist entsetzt: Wie massiv die Bildungsdefizite in unserer Gesellschaft sind, zeigt beispielsweise auch der vor kurzem bei Hachenburg im Westerwald erfolgte illegale und verabscheuungswürdige Abschuss des Wolfes. Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen hält sich das falsche Bild des Menschenfressers seit Jahrhunderten in der Bevölkerung.
Umweltbildung muss bei den ganz Kleinen ansetzen und hier kommt den zoologischen Einrichtungen eine immer größer werdende Bedeutung als außerschulische Lernorte zu. Außerhalb des Klassenraums können die Kinder Wissen besonders gut mit mehreren Sinnen aufnehmen, Zusammenhänge selbst entdecken und konkret statt abstrakt lernen. Z.B. kann der haptische Sinn viel leichter angesprochen werden. Wer beispielsweise einmal unserem Molukken-Kakadu Coco das Gefieder gekrault hat, wird nicht so schnell vergessen, wie sich das anfühlt so Zoopädagogin Britta Löbig. Ganz nebenbei lernen die Besucher dabei noch das Verhalten des Tieres zu interpretieren und bekommen einen Eindruck davon, wie die Federn aufgebaut und angeordnet sind. "Berührungserfahrungen motivieren Kinder zum Lernen und beeindrucken sie erklärt die Biologin. So werden sie neugierig und bekommen Lust, Neues zu lernen. Alles, was sie durch eigene Erfahrungen gelernt haben, bleibt viel länger haften. Gerade wenn es um Umweltthemen geht, ist es besonders wichtig, Umwelt zu erleben, zu riechen und anzufassen.
Institutionen mit lebendigen Tieren motivieren die Kinder besonders stark, neues Wissen zu sammeln. Kinder sind fasziniert von Tieren und wollen wissen wie sie leben oder was sie den ganzen Tag machen. Über die Tiere als Botschafter fällt die Überleitung auf die Bedrohung von Lebensräumen und damit Umweltschutzthemen besonders leicht.
Tierisch viele Möglichkeiten für tierisch guten Unterricht
Getreu diesem Motto startet die im Jahr 2010 ins Leben gerufene Zooschule des Vogel- und Naturschutztierparks in den Sommer. Zoopädagogin Britta Löbig übernahm im März diesen Jahres die Zooschule, nachdem ihre Vorgängerin Christin Trapp aus privaten Gründen wegzog. Die Biologin aus Langen war zuvor im Frankfurter Zoo in der pädagogischen Abteilung unter Vertrag und möchte gemeinsam mit Parkleiter Rades die Zusammenarbeit mit den Schulen der Region ausbauen und intensivieren: Vielen Lehrern ist gar nicht bewusst, welches Potenzial für tierisch guten Unterricht direkt vor ihrer Haustür liegt. Dabei liegen die Überschneidungen der Rahmenlehrpläne mit den Möglichkeiten des Vogelparks auf der Hand. Grundschüler können Wiese, Wald und Tümpel im Park erkunden und so Lebensgemeinschaften und Lebensräume von Tieren und Pflanzen entdecken. Bei den dem Alter der Kinder angepassten Führungen stehen naturbezogene Erfahrungen und der unmittelbare Kontakt mit den Tieren im Vordergrund. Ob Aug in Aug mit unseren Clownfischen, mit einem Papagei auf dem Arm, dem Python in der Hand oder beim Füttern der possierlichen Lisztaffen anschaulicher lassen sich die Wirbeltierklassen nicht erklären so Löbig.
In der Sekundarstufe I stehen neben Haltung und Pflege von Tieren u.a. die Anpassungen der Lebewesen an ihren Lebensraum im Vordergrund. Die Grundlagen lassen sich im Unterricht gut vermitteln. Was das aber konkret bedeutet lässt sich viel besser begreifen, wenn man den Störchen mit ihrem pinzettähnlichen Schnabel bei der Nahrungsaufnahme oder den Papageien beim Nüsseknacken zuschaut. Allein der Vergleich von Schnee-Eule, Bartkauz und Uhu in ihren naturnah gestalteten Gehegen macht klar, wie wichtig Anpassung an den jeweiligen Lebensraum ist. Welche Rolle Tarnung im Tierreich spielt verstehen die Schüler sofort, wenn sie beispielsweise versuchen die Stabheuschrecken in ihrem Terrarium oder die Entenmutter mit ihren Küken im Teich ausfindig zu machen.
Für die Sekundarstufe II ist im Lehrplan das Kennenlernen vielfältiger Ökosysteme, Sozialverhalten und/oder Evolution vorgesehen. Begriffe wie ökologische Nische oder natürliche Selektion können in der Führung für diese Altersklasse mit Leben gefüllt werden, wenn die Jugendlichen am Lisztaffengehege in den Regenwald eintauchen, die Primaten-Verwandtschaft beim Klettern beobachten oder vor dem Kalahari-Gehege der Erdmännchen dem turbulenten Treiben der Beutegreifer zuschauen. Haben eigentlich nur australische Säugetiere wie die im Park lebenden Kängurus einen Beutel? Wer oder was ist nochmal Archaeopteryx? Was haben Reptilien und Vögel gemeinsam? Alle diese und viele weitere Fragen werden in der Führung anschaulich beantwortet.
Parkleiter Rades ergänzt: All das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem was wir für die nachhaltige Bildung unserer Schülerinnen und Schüler umsetzen können. Die Möglichkeiten Unterricht im Vogelpark zu gestalten sind nahezu unbegrenzt. Natürlich gehen wir auch sehr gerne auf individuelle Wünsche unserer Lehrerkollegen ein. Themen mit Schwerpunkt Vogelflug oder Brutverhalten sind genauso gut umsetzbar wie eine Führung zu unseren vielfältigen Amphibienarten.
Das Vogelpark-Team plant nun nach und nach direkten Kontakt mit den Schulen in der Region aufzunehmen und die Angebote im Gespräch abzuklären und zu konkretisieren. In Kürze werden die Themen auch im dann neu gestalteten Abschnitt Zooschule auf der Homepage www.vogelpark-herborn.de abrufbar sein. Um Führungen zu buchen, wird um Voranmeldung gebeten, um den Termin und das Thema abzusprechen. Interessierte Lehrer können zwecks konkreter Absprache oder für weitere Informationen gerne unter info@vogelpark-herborn.de oder unter der Rufnummer 02772-42522 Kontakt aufnehmen.