Viele kennen wohl den Straßennamen selbst, können aber heute kaum mehr erklären, wer oder was sich dahinter verbirgt. Damit dies nicht so bleibt, wurden nun 39 Straßen im Stadtgebiet mit Zusatzschildern versehen.
"Die Erläuterung der Straßennamen geht zurück auf einen Beschluss der Stadtverordneten aus 2012. Nach langwierigen und fundierten Recherchen unter der Leitung von Birgit Ernst vom Stadtmarketing, bin ich froh, dass dieses Projekt, wenn auch langsam, so doch erfolgreich umgesetzt werden konnte. Viele Personen von Geschichtsvereinen, Stadtarchiv, Verwaltung wie auch der ehem. Stadtarchivar Rüdiger Störkel und der Heimatforscher Karl-Heinz Striffler haben über die Jahre die Recherche der Straßennamen unterstützt, ihnen gilt mein Dank. Wer jetzt eines der neuen Zusatzschilder in der Stadt sieht, erfährt mehr über die Herkunft der Straßennamen", berichtet Bürgermeisterin Katja Gronau.
Straßennamen sind Mosaike von Geschichte und Identität, sie erzählen vom Leben in einer Stadt, so auch in Herborn. Es gibt historische Plätze, wie beispielsweise den Kornmarkt, deren Name die Zeiten überdauert hat und noch heute an die damalige Bedeutung erinnern. Hier braucht man in der Regel keine zusätzlichen Schilder, die die Bedeutung erklären. Anders aber in der Straße „Am Gerichtsköppel“; hier soll es im 16. Jahrhundert tatsächlich eine Richtstätte gegeben haben. Derweil es in der Straße „Am Galgenberg“ vermutlich keinen Galgen oder eine Richtstätte gegeben hat, obwohl der Name anderes vermuten lässt. Jedoch haben Nachforschungen ergeben, dass es sich um ein mit Wachholder bewachsenes Gelände handelte. So ist die Bezeichnung „Galgenberg“ wahrscheinlich eine Verballhornung aus „Galbasberg“, ein Wort, das einen Wacholderzapfen bezeichnet.
Zusatzschilder an 39 Straßen benennen in Herborn die historische Person oder das Ereignis, dem die Straße ihren Namen verdankt. Manche Recherche war dabei besonders kniffelig. So gibt es für das frühe 20. Jahrhundert oft wenig Hinweise auf die Personen, die damals im Stadtleben eine Rolle spielten. Die Friedrich-Birkendahl-Straße ist solch ein Fall. Birkendahl war von 1900-1923 Bürgermeister der Stadt, das ließ sich schnell herausfinden. Jedoch fehlten jahrelang Informationen zu seinen weiteren Lebensdaten, da er weder gebürtiger Herborner war, noch nach seiner Zeit als Bürgermeister in Herborn verweilte. Manche Daten – wie die von Birkendahl - waren zum Zeitpunkt, als die Zusatzschilder vom Parlament beschlossen wurden, noch nicht in den Online-Datenbanken der Staatsarchive eingepflegt. Nach und nach konnten die fehlenden Informationen aber in mühevoller Kleinarbeit ermittelt werden.
Die Schwerstraße heißt nicht so, weil einem hier alles schwerfällt. Oder die Recherchen zur historischen Person, die der Straße ihren Namen verdankt, durchaus nicht ganz leicht (schwer) waren. Sie hieß erst „Zum heiligen Floß“ und wurde später nach dem Kommunalpolitiker Johann Georg Schwer (1827- 1886) benannt, der sein Vermögen dem Herborner Krankenhaus stiftete. Auch über Johann Georg Schwer waren so gut wie keine Informationen in den Archiven verfügbar.
Der frühere Name der Straße taucht ganz in der Nähe der Schwerstraße immer noch auf, ein kleiner Verbindungsweg trägt bis heute den Namen „Zum heiligen Floß“. Dieser geht wohl auf eine mundartliche Bezeichnung für einen kleinen Wasserlauf südlich der Stadtmauer zurück, wobei das „heilig“ vermutlich die Verballhornung eines Personennamens ist.
Der Franzosenweg hat aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich etwas mit Franzosen zu tun. Recherchen haben ergeben, dass es sich bei der Straße um den Fluchtweg des französischen Generals Soult nach der Schlacht von Altenkirchen im Jahr 1796 mit Erzherzog Karl von Österreich handeln könnte. Denn es gibt auch im Schloss ein sogenanntes „Franzosenpförtchen“, das die besagte Flucht erst ermöglichte. Und von dort floh General Soult aus dem Schloss seinerzeit durch den Franzosenweg, welcher nach diesem Ereignis benannt worden ist.
Die Straße „Am Hintersand“ ist nicht nur nah am Fluss, sondern dem Namen nach auch am Sand gebaut. Der Straßenname stellt den Bezug zum Schwemmsand der Dill und dem Gebiet hinter der Stadtmauer her.
Wer dieser Tage die Zeit des Vorfrühlings für einen kleinen Spaziergang nutzt und durch die Straßen der Stadt streift, sollte seinen Blick unbedingt etwas schweifen lassen, denn neuerdings verraten einige Straßenschilder Geschichten.
Bild: Der Erfinder und Unternehmer Georg Robert Werner Sell (SELL-Flugzeugküchen im Eisenwerk Herborn) gab der Professor-Sell-Straße ihren Namen. 39 Straßenzusatzschilder geben in ganz Herborn Auskunft über die Herkunft einiger Straßennamen.
v. l. Bürgermeisterin Katja Gronau, Michael Polster vom Baubetriebshof und Birgit Ernst vom Stadtmarketing.